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- 2015 -

Oldenburger macht Merkel Platz



25 Jahre Deutsche Einheit 1990 unterlag Hans-Günther Zemke bei CDU-Kandidatenkür


Ein Jahr nach der verlorenen Stichwahl um die CDU-Bundestagskandidatur auf Rügen: Hans-Günther Zemke mit Angela Merkel bei einem Vortragsabend in Oldenburg
BILD: STADTARCHIV



Vor 25 Jahren feierten Bürger aus Oldenburg und Rügen gemeinsam den ersten "Tag der Deutschen Einheit". Hans-Günther Zemke aus Eversten spielte eine entscheidende Rolle.
VON CHRISTOPH KIEFER

Rügen, 1990: Wer zieht für die CDU im Wahlkreis 267 in den Bundestag ein? Hans-Günther Zemke aus Oldenburg-Eversten lag vorn – und wird schon frenetisch gefeiert. Doch dann kommt die Stichwahl.

OLDENBURG/BINZ/STRALSUND - Es war ein ganz besonderer Moment für Hans-Günther Zemke: 140 Stimmen hatte der Kandidat aus Oldenburg auf sich vereinen können. Klaus Hermann, ein Mitarbeiter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, war mit 69 Stimmen abgeschlagen auf Platz drei gelandet. Und auch die junge, unbekannte Angela Merkel konnte mit ihren 96 Stimmen nicht mit dem Bewerber aus Oldenburg mithalten. „Ich stand da wie ein begossener Pudel und wurde frenetisch gefeiert“, erinnert sich Zemke.

Doch wer die CDU im Wahlkreis 267 (Grimmen, Rügen, Stralsund) in die Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 führen sollte, war mit dieser Abstimmung bei der Mitgliederversammlung am 27. September 1990 im „Haus der Armee“ in Prora (Ortsteil von Binz auf Rügen) nicht entschieden. Denn das Ergebnis hatte eine Stichwahl zwischen Zemke und Merkel notwendig gemacht.

Erstes "politisches Opfer"

Für viele CDU-Anhänger war die Wahl des allseits geschätzten Oldenburgers offenbar bereits gelaufen. 35 verließen den Tagungsort vor der Abstimmung – und ahnten nicht, welche Wende die Kandidatenkür nehmen sollte. Zemke erhielt nur noch 131 Stimmen, und Merkel hatte mit 141 Stimmen auf einmal die Nase vorne. Drei Monate später zog die heutige Bundeskanzlerin erstmals in den Deutschen Bundestag ein.

„Zemke war streng genommen Merkels erstes politisches Opfer“, notierte der Politikwissenschaftler Gerd Langguth in seiner Biografie der CDU-Politikerin. Der heute 79-Jährige sieht das ganz anders: Die Kandidatenkür sei eine „hoffnungsvolle Grundlage für den 2. Dezember“, schrieb Zemke bereits am 19. Oktober 1990 an Merkel. Wenn er sie im Wahlkampf unterstützen solle, stehe er im Rahmen seiner Möglichkeiten „selbstverständlich zur Verfügung“. Merkel selbst antwortete in einer handschriftlich verfassten Karte an Zemke zum Jahreswechsel am 29. Dezember, sie hoffe auf eine gute Zusammenarbeit und versprach, 1991 zu einem Vortrag nach Oldenburg zu kommen.

Partnerschaft Rügen
Für den CDU-Ratsherrn und damaligen Bürgervereinsvorsitzenden aus Eversten war mit der Niederlage bei der Kandidatenkür zur Bundestagswahl die Bindung an die Ostseeküste nicht beendet. Im Gegenteil: Am Vorabend des 3. Oktober 1990 – in diesem Jahr erstmals „Tag der Deutschen Einheit“ – hielt Zemke bei der Feierstunde in Sassnitz den Festvortrag. „Freude und Hoffnung in vielen Gesichtern, als sich etwa 500 Menschen später zum Kurplatz begaben“, notierte die „Ostsee-Zeitung“ in ihrer Ausgabe vom 4. Oktober. Noch heute hat der frühere Abteilungsleiter der Bremer Landesbank und Aufsichtsratsvorsitzende der GSG die bewegenden Bilder vor Augen: „Dieser Abend war ergreifend.“ Das Engagement Zemkes im Rahmen der Partnerschaft zwischen Oldenburg und Rügen stieß auf große Wertschätzung: „Mit Dankbarkeit haben wir deine tätige Hilfe in der schwierigen Zeit des Anfangs entgegengenommen. Du hast in selbstlosem Einsatz versucht, beim Aufbau eines demokratischen Gemeinwesens auf Rügen mitzuhelfen“, schrieb beispielsweise der erste Landrat des neuen Landkreises Rügen, Klaus Eckfeldt, am 14. Dezember 1990 an den „lieben Hans-Günther“.

Intensive Kontakte

Wie intensiv die Kontakte in die nördlichste Stadt Mecklenburg-Vorpommerns waren, zeigte die Teilnahme Oldenburger Politiker und Bürger an den Einheitsfeiern 1990 in Putbus, Sassnitz und Binz.

Abgerissen ist diese Tradition bis heute nicht. Bürgermeisterin Germaid Eilers-Dörfler nimmt in diesem Jahr am 2. Oktober an einem vorabendlichen Empfang in Stralsund teil. Festrednerin bei der Veranstaltung, zu der der Landkreis Vorpommern-Rügen (zuvor Landkreis Rügen) Vertreter der Partnerkommunen einlädt, ist Bundeskanzlerin Angela Merkel – bis heute Bundestagsabgeordnete der CDU für den Wahlkreis Vorpommern-Rügen – Vorpommern-Greifswald.

Quelle:

Nordwest-Zeitung, 02.10.2015