presse
- 2014 -

Autobranche startete im Johannisviertel


WIRTSCHAFTSGESCHICHTE An der Nelkenstraße gab es einst drei Betriebe - Llloyd, Ford und Mercedes

VON KLAUS FRICKE

Alle fanden andere Plätze in der Stadt. Ford Brau ist gerade zum vierten Mal umgezogen - an die Edewechter Landstraße.

OLDENBURG - Das Johannisviertel hinterm Pferdemarkt ist jetzt eine begehrte Wohngegend. Doch Ende des vergangenen Jahrtausends war es vor allem ein Sanierungsgebiet. Denn dort, wo heute ein großer Spielplatz auf junge Benutzer wartet, lag einst eine der Keimzellen der Oldenburger Automobilbranche. In den 1950er Jahren waren entlang der Nelkenstraße gleich drei Betriebe zu finden: Ford Brau, Mercedes Schwarting und die damalige Lloyd-Vertretung von Herbert Freese.

Längst siedeln die Firmen woanders, sie haben expandiert und sich verändert: BMW Freese (1960 hatte man sich von Borgward/Lloyd abgewandt) ist u.a. an der Wilhelmshavener Heerstraße angesiedelt, Schwarting ist nun Teil des Autohauses Rosier (u.a. Ammerländer Heerstraße). Und Ford Brau ist gerade wieder umgezogen, vom Hackenweg an die Edewechter Landstraße.


Blick zurück: So sah es 1936 in der Werkstatthalle von Ford Brau an der Nelkenstraße aus.
BILD: ARCHIV FORD BRAU

Seit 1928 bei Ford

Es ist bereits der vierte Umzug, den das Unternehmen auf sich nimmt. 1920 von Heinrich Brau gegründet, erhält der Reparaturbetrieb 1928 einen ersten Vertrag als „autorisierter Ford-Verkauf- und Reparaturdienst“ und eröffnet in einem gemieteten Haus an der Bleicherstraße. 1936 geht es dann auf einen größeren Gebäudekomplex an der Nelkenstraße, wo vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg mit Neu- und Ausbauten kräftig investiert wurde.





Abriss: Auf dem Gelände am Hackenweg werden jetzt Wohnungen entstehen.
BILD: JOCHEN KLEIN / OL-LUFTBILDER.DE

Trotzdem packte Brau 1963 erneut die Koffer: An der Nelkenstraße war die Fläche zu klein geworden, am Hackenweg dagegen konnte man auf einem 24000 Quadratmeter großen Grundstück einen modernen Betrieb hochziehen. Bis in dieses Frühjahr hinein galt die Adresse Hackenweg, nun etabliert sich Ford Brau erstmals in Eversten, an der Edewechter Landstraße.

Roy Flügel ist einer der Mitarbeiter, die bei Brau die gesamte Hackenweg-Zeit mitgemacht haben. Der heute 67-Jährige hatte bei Pekol Autoschlosser gelernt und wechselte 1963 in den neuen Betrieb, wo er im Laufe der Jahre u.a. bis zum Betriebsleiter aufstieg. „Dabei habe ich bis heute keinen Arbeitsvertrag unterzeichnet. Bei Heinz Brau ging das alles per Handschlag“, lacht der Kfz-Meister.

Die „familiäre Atmosphäre, die die Arbeit hier immer schon ausgezeichnet hat“ (Flügel), erlebte auch Hans-Günther Zemke. Der heutige Ehrenvorsitzende des Bürgervereins Eversten wohnte nicht immer im Stadtwesten, sondern verbrachte einen Großteil seiner Jugend im Johannisviertel. „Mein Zuhause mit Obst- und Gemüsegarten lag in den 40er- und 50er-Jahren in der Kreuzstraße, ohne Zaun angrenzend an den hinteren Teil des Autobetriebs in der Nelkenstraße 14“, erinnert er sich. Klar, dass der junge Hans-Günther von den Mitarbeitern bald als „ständiges Werkstattmitglied“ adoptiert wurde. So habe er erlebt, wie in Kriegszeiten die wenigen verbliebenen Angestellten und die russischen Zwangsarbeiter bei Brau behandelt wurden: „Meister Heinrich Brau“ habe zusammen mit seiner Familie, Freunden und Nachbarn „die Situation für seine hungrigen Mitarbeiter unauffällig und erfolgreich“ verbessert. Nach Kriegsende habe es freundschaftliche Abschiede gegeben. Zemke im Rückblick: „Das Betriebsklima, würde man heute sagen, war menschlich hervorragend.“


Altes Bild: Ex-Betriebsleiter Roy Flügel zeigt die erste Wagenhalle, die am Hackenweg entstand.
BILD: KLAUS FRICKE

Eine Beobachtung, die Roy Flügel auch am Hackenweg machte, wo der Betrieb im Vergleich zur Nelkenstraße deutlich erweitert wurde. 1963 und 1964 errichtete man an diesem Standort quasi einen kompletten Betrieb mit Werkstattausrüstungen, Ersatzteillager, Verwaltung und Schaufenstern. Damals ein verkehrsgünstiger Standort: Er lag direkt an der Umgehungsstraße (deren Verlauf in diesem Bereich in etwa der heutigen Autobahn 293 entspricht) und nahe der Alexanderstraße, also mitten zwischen zwei Verkehrsadern.

An die Peripherie

„Trotzdem blieb alles familiär“, sagt Flügel. Und dies änderte sich auch nicht, als 1965 der Firmengründer starb und sein Sohn Heino Geschäftsführer wurde. „Firmentreue, Markentreue und Dienst am Kunden sind und waren wichtige Bausteine des Unternehmens“, betont Flügel.

Nun geht es also an die Edewechter Landstraße und damit für Ford Brau erstmals an die Peripherie Oldenburgs. Im Jahr 2013 planten die heutigen Geschäftsführenden Gesellschafter Ralf Rüdebusch und Dierk Klockgether (seit 2008) das neue Autohaus, nun wurde umgezogen. Wieder einmal, nach acht Jahren Bleicherstraße, 27 Jahren Nelkenstraße und 50 Jahren Hackenweg.

Quelle:

Nordwest-Zeitung, 07.März 2014